QR 9
Obstanbau „auf dem“ Eichsfeld
Die ersten Berichte über Obstanbau gibt es aus Ägypten, etwa 2900 bis 2400 vor Christi Geburt. Über Griechenland und Italien kamen die ersten Obstbäume in die Klöster nach Deutschland. Die Klöster der Benediktiner und Zisterzienser sorgten für die Verbreitung des Obstanbaues. Es gibt Dokumente aus dem Jahr 1433, die den Obstanbau in Duderstadt beschreiben. Die Dokumente zeigen, dass auch damals Obst gestohlen bzw. Obstbäume beschädigt wurden. In den „Duderstädter Statuten“ von 1433 werden drastische Strafen für Menschen beschrieben, die sich für den Garten des Nachbarn „interessierten“: „Wer dem anderen bei Tage in seinen Hof (Garten) steigt und ihm sein Kraut nimmt und ihm Schaden tut an seinem Obste und an seinen Zäunen, soll dem Geschädigten 5 Schilling geben und der Stadt eine Mark und soll vier Wochen „innesitten“ oder „utewesen“ und soll den Schaden ersetzen“. Das schöne Wort „innesitten“ bedeutet nichts anderes als Gefängnis.
Die Kurmainzer Regierung, das war der katholische Bischof in Mainz, zu dem das Eichsfeld gehörte, sorgte für die Förderung des Obstanbaues im 18. Jahrhundert und forderte alle Gemeinden auf, auf geeigneten Flächen Obstbäume anzupflanzen. Jede Gemeinde hatte eine Baumschule anzulegen. Eine Anweisung beschreibt „Reife Samen von Äpfeln und Birnen sind um Martini zu legen, die aufgezogenen Bäumchen an Wurzeln und Zweigen zu beschneiden, die verpflanzten Stämme, sobald sie die Dicke eines Daumes erreicht haben, mit schicklichen Reisern entweder zu pfropfen oder zu okulieren“. Die Kerne sollten um St. Martini, das ist der 11. November, in die Erde gelegt werden. Die Begriffe „pfropfen“ und „okulieren“ werden im QR-Code 3 „Veredeln“ erklärt.
Die Verantwortung für die lokalen Baumschulen übernahmen die „Schullehrer“. Sie hatten auch die Aufgabe, die Fertigkeiten des Pfropfens oder Okulierens an die Schüler/innen weiterzugeben.
Dieses Dokument aus dem Archiv der Stadt Duderstadt listet den Bestand in der Duderstädter Baumschule im Jahr 1871 auf.
Obstbäume an den Straßen
In den Jahren 1818 bis 1824 wurde der Weg von Duderstadt nach Northeim zu einer festen Straße ausgebaut. Die Gemeinden an den Straßen mussten sogenannte Hand- und Spanndienste erbringen. Dafür bekamen sie von der hannoverschen Regierung die Erlaubnis, Bäume an der neuen Chaussee zu pflanzen. Einige Gemeinden pflanzten Pappeln und Birken, schnell wachsende Baumarten, andere wiederum Obstbäume. Es gab zu dem Zeitpunkt einen großen Holzmangel. Die Wälder waren „leergefegt“, das Holz war das einzige Heizmaterial. Später kaufte die Regierung den Gemeinden das Nutzungsrecht an der Straße ab und es wurden einheitlich Obstbäume angepflanzt. Es gab Chausseewärter, die bei der Regierung beschäftigt waren. Sie wurden besonders geschult und waren jetzt für die Obstbäume an den Straßen zuständig. Den Anblick der letzten Obstbäume an befestigten Straßen kennt jeder. Leider sind es heute meist sehr alte, ungepflegte Bäume, deren Äste in Richtung Straße durch Lkws verletzt worden sind. Oft sind sie bis in 4,5 m Höhe aufgeastet, die Kronen sind zur Ernte und zum regelmäßigen Baumschnitt kaum noch zu erreichen. Da sie ohne Schutz standen, führte der Wind dazu, dass sie zum großen Teil schief stehen. Neuanpflanzungen, die in geringem Umfang noch erfolgten, sollten möglichst schnell in die Höhe wachsen und den Straßenverkehr nicht behindern.
Das Bild aus dem Jahr 1940 zeigt die Straße von Mingerode (im Hintergrund) nach Obernfeld, die heutige Bundestraße. Auf beiden Seiten der Straße befinden sich noch Obstbäume. Die Soldaten Bernward Rittmeyer, Adolf Wüstefeld und Herrmann Rittmeyer zusammen mit Angehörigen auf dem Weg zum Bahnhof Obernfeld.
Eine Aufstellung aus dem Jahr 1850 zeigt, in welchen Bereichen der Stadt Duderstadt Obstbäume standen: Auf der Chaussee vorm Westertor, (heute: Straße nach
Westerode) 321 Äpfel- und Birnenbäume, 125 Zwetschen, auf der Chaussee vorm Steintor 245 Äpfel- und Birnenbäume, (heute: Straße nach Gerblingerode) auf der Talwiese 92 Äpfel- und Birnenbäume, (heute: Sportplatz) auf dem Westerborn 242 Äpfel- und Birnenbäume, (heute: Berufsschule/Sportplatz) im Sulbig 146 Äpfel- und Birnenbäume, auf der Leerschen Rinne 72 Äpfel- und Birnenbäume, 298 Zwetschenbäume, im Leeren 688 Äpfel- und Birnenbäume, 132 Zwetschen, 124 Kirschen, 114 Walnüsse (heute: hinter dem Gesundheitsamt bis fast zum Gut Herbigshagen), im Jehnanger und in der Nassen
Grund 572 Äpfel- und Birnenbäume, auf dem Schindanger und am Sandturm 230 Äpfel- und Birnenbäume. Die Aufstellung aus dem Jahr 1850 macht deutlich, dass Duderstadt, und das waren zu dem Zeitpunkt die Gebäude innerhalb des Walles, von einem Gürtel an Obstbäumen umgeben war. Zu dem Zeitpunkt waren es 2.608 Apfel- und Birnenbäume, 777 Zwetschen und 124 Kirschbäume sowie 114 Walnüsse.
Erstaunlich ist im ersten Moment die große Anzahl an Zwetschenbäumen. Zwetschenmus war ein wichtiger Brotaufstrich für die ländliche Bevölkerung.
Zwetschen wurden in großer Menge in holzbefeuerten Waschkesseln bzw. Wurstekesseln gekocht. Damit das Mus nicht anbrannte, wurde ständig gerührt. Stullen mit Zwetschenmus gab es zum Frühstück oder zum Kaffee. In Duderstadt vor dem Obertor wurde im Jahr 1870 eine neue städtische Baumschule eingerichtet. Für das Jahr 1871 gibt es eine Aufstellung des Bestandes in dieser Baumschule. Sorten, die heute noch in alten Streuobstbeständen häufiger vorkommen und auch noch in Baumschulen erhältlich sind, haben wir herausgehoben. Der größere Teil besteht allerdings aus Sorten, die im 19. Jahrhundert teilweise sehr verbreitet waren, heute aber auch überregional sehr selten oder gar verschollen sind.
Zuzüglich einiger unbekannter Sorten standen in der Baumschule insgesamt 6.549 Obstbäume. Eine wirklich schöne Aufgabe wäre, eine Allee mit all diesen Obstsorten wieder in Duderstadt anzulegen. Es gab immer Männer, die sich in der Region um den Obstanbau verdient gemacht haben. In der Regel waren es katholische Pfarrer oder Dorfschullehrer. Sie waren die wenigen Personen, die auf den Dörfern lesen und schreiben konnten. Pfarrer und Lehrer waren zudem die einzigen, die überhaupt Zeit für diese Arbeit hatten. Die normale Landbevölkerung war mit dem Bestellen der Felder und der Versorgung der Tiere vollauf beschäftigt.
Die Information zu diesem Abschnitt stammten aus Karl Wüstefeld: „Zur Geschichte des Obstbaues im Eichfeld“, Unser Eichsfeld, 1932, Seiten 106-117 und 121-126 und aus Franz Kurth: „Die Geschichte des Obstanbaues in der Golden Mark“, Goldene Mark, 1965, Seiten 57-72.
Bild: Der stolze Gärtnermeister Georg Grünewald, Hilkerode, in seiner Baumschule
Anzahl Bäume | Sortenbezeichnung | heutiger korrekter Sortenname |
---|---|---|
344 | Herbert’s Reinette | Harberts Renette |
258 | Londoner Peping | London Pepping |
215 | Rebston Peping | Ribston Pepping |
126 | Winter Postoph | Winter-Postoph |
252 | Gravensteiner | Gravensteiner |
84 | Goldgelber Streifling | Goldgelber Streifling |
252 | Rheinischer Krummstiel | Rheinischer Krummstiel |
84 | Englische Winter-Gold-Parmaine | Goldparmäne |
280 | Pommeranzen Aepfel | Pommeranzenapfel |
56 | Muscat-Reinetten | Muskatrenette |
112 | Reinette von Sorgfliet | Renette aus Sorgvliet |
336 | Rebston Astrachan | ? |
112 | Reinette von Breda | Renette aus Breda |
260 | Winter Postoph | Winter-Postoph |
54 | Reinette von Cannada | Kanadarenette |
102 | Quittenaepfel | ? (Englischer Quittenapfel) |
52 | Kaiserin Josephine | ? |
52 | Goldzeugapfel | Goldzeugapfel |
330 | Glanzreinetten | Glanzrenette |
150 | Herberts-Reinette | Harberts Renette |
528 | Danziger Kant-Apfel | Danziger Kantapfel |
204 | Englische Winter-Gold-Parmaine | Goldparmäne |
51 | Königinn Louise | Königin Luisensapfel |
102 | Goldgelbe Sommer-Reinette | Goldgelbe Sommerrenette |
102 | Rebston Astrachan | ? |
132 | Diezer Goldreinette | Dietzer Goldrenette |
Das Bild zeigt das Duderstädter Krankenhaus St. Martini, im hinteren Teil des Bildes, hinter der Bundesstraße, ist der Weinberg gut zu erkennen.